Nach 3 Wochen und über 2000 Bilder mit der Fuji X100 möchte ich Euch meinen Erfahrungsbericht in Kurzform schildern.
Zu meinem Foto-Hintergrund: Ich fotografiere seit ca. 8 Jahren relativ intensiv. Ich mache das nicht beruflich, habe aber aus Spaß an der Fotografie auch schon einige professionelle Aufträge angenommen. Neben einer Canon 5D MK II und einer Canon S95 fotografiere für unterwegs ich auch viel analog. Olympus OM-4 Ti, Hasselblad 500 c/m und Rolleiflex TLR sind meine analogen Schätze. Daher bin ich wahrscheinlich auch so scharf auf die X100 gewesen. Eine Leica habe ich nicht. Aber die X100 ist meine “Leica für Arme”
Es gibt mittlerweile schon eine menge Reviews über diese Kamera mit Testcharts usw. Daher lasse ich das Pixelpeeping weg und beschränke ich mich auf meine subjektiven Erfahrungen und Eindrücke im Alltagsgebrauch:
Die X100 ist sehr attraktiv und hervorragend verarbeitet! Sie sieht einer Leica schon ziemlich ähnlich, wiegt aber nur etwas über 400g und damit erstaunlicherweise nicht einmal die Hälfte der aktuellen M9 mit 35mm Objektiv und nur ein Bruchteil von den alten Gusseisernen Modellen
Sie ist leise, klein und unauffällig. Der Verschluss ist quasi nicht zu hören. Bei Portraits habe ich schon öfters die Frage gehört “Hast Du das Bild schon gemacht?”
Und was für Streetfotografie auch interessant ist, die X100 erzeugt Sympathie. Irgendwie lächeln mich die Leute öfters an oder fragen interessiert nach der Kamera. Wenn ich mit der 5D MK II unterwegs bin werde ich eher als Bedrohung wahrgenommen. So geht es mir übrigens auch wenn DSLR mit großen Objektiven auf mich zielen, obwohl ich ja eigentlich Verständnis für diese Fotografen haben müsste.
Das Objektiv ist von der optischen Auflösung her sehr gut. Im Makrobereich sollte man ab Blend 4 arbeiten wenn man auf maximale Schärfe Wert legt. Aber ich finde Blende 2 auch sehr brauchbar. Bei normaler Fokusdistanz ist Blende 2 schon sehr gut. Ab Blende 4 ist der Fokusbereich knack scharf! CAs uns Purple Fringing konnte ich selbst unter ungünstigen Bedingungen noch nicht sehen. Da ist mein Canon EF 35mm f/1.4 schlechter!
Das Bokeh gefällt mir sehr gut. Allerdings muss man schon nahe an das Objekt heran gehen um bei einem 23mm Objektiv, das nur durch den Cropfaktor von 1,5 auf ein optisches 35mm Äquivalent kommt, auch ein entsprechendes Bokeh zu bekommen. Da ist ein echtes 35mm an einem Vollformartsensor einfach besser.
Das Rauschverhalten der X100 ist beeindruckend! Bis ISO 1600 fotografiere ich ziemlich entspannt. Und auch ISO 3200 sind noch gut zu gebrauchen. Das ist DSLR Niveau.
Der Bildprozessor ist 1. Bundesliga! Ich fotografiere mit der X100 zu 99% in jpg, da die Bildqualität und Farbwiedergabe überzeugend sind. Gerade Hauttöne sind bei fast allen Lichtverhältnissen sehr gut. Viel besser als bei meinen Canon Kameras (bei denen würde ich nicht in jpg fotografieren da ich fast immer nachbearbeiten muss und dann lieber Raw wähle)
Der optische und digitale Sucher sind eine wahre Freude zu benutzen. Dieses Hybridkonzept ist einfach genial! Ein klares Alleinstellungsmerkmal in dieser Kameraklasse. Man muss es einfach mal gesehen haben
Die Geschwindigkeit mit einer schnellen SanDisk Pro SD Karte (45 mb/s) bei jpg Bildern ist schnell. Ich habe bisher keine Geschwindigkeitsprobleme gehabt.
Beim Autofokus ist eigentlich jede DSLR deutlich überlegen. Bei einem APS-C Sensor und f/2 muss der Fokuspunkt aber schon passen. Und die X100 hat nur einen Kontrast-AF. Der ist bei der X100 zwar schon viel besser als bei Kompakten, aber die haben mit ihren winzigen Sensoren auch eine viel größere Schärfentiefe. Also würde ich die X100 keinen Sport- und Aktionfotografen empfehlen. Aber wer vorfokussiert und bei f4 oder höher arbeitet, kann auch vernünftige Streetfotos machen.
Die AF Fokusdistanz ist allerdings etwas “gewöhnungsbedürftig”. Alles unter 80cm ist für den AF der X100 ein Macro. Man muss also drei Tasten drücken, um den Bereich von 10 bis 80 cm zu aktivieren. Das ist für Portraitaufnahmen mit einem 35mm Objektiv Äquivalent äußerst nervig. Das schlimmste ist aber, dass nach Drücken der Previewtaste zur Bildkontrolle der Makromodus automatisch wieder ausgeschaltet ist. Big Fail!
Jede Kamera braucht eine Eingewöhnungszeit. Aber ich behaupte das zumindest Canon Fotografen eine besonders lange und intensive Eingewöhnungszeit bei der X100 brauchen. Man hat das Gefühl, dass die FW Ingenieure der X100 in den letzten 5 Jahren keine moderne digitale Kamera eines großen Fremdherstellers in der Hand hatten. Die Menüführung ist, milde gesagt, eine Katastrophe! Ich hoffe, dass die Beschwerdemails bei Fuji ernst genommen werden und das ganze Chaos in einem Firmwareupdate abgemildert werden kann. Vielleicht sollten die FW-Jungs mal das Buch „Simplify your life“ lesen…
Die Firmware ist momentan wirklich der größte Schwachpunkt der Kamera. So eine zerklüftete Menüführung und in meinen Augen z.T. unlogische Einstellungsoptionen hätte ich einer Kamera in 2011 gar nicht mehr zugetraut. Es würde den Rahmen sprengen hier alle Mängel aufzuzählen, aber es soll in Kürze ein Update geben, dass die gröbsten Schnitzer wohl behebt.
Trotzdem habe ich mich in den letzten Wochen auf die “Besonderheiten” der X100 eingestellt und gebe sie ganz bestimmt nicht mehr her. Die X100 erinnert mich in der aktuellen Firmwareversion an einen klassischen italiänischen Sportwagen - sehr hübsch und extrem leistungsfähig in erfahrenen Händen, aber irgendwie doch eine eigensinnige Zicke
Und für alle die jetzt überlegen wie man der Frau/Freundin klar machen soll, dass man die X100 kaufen möchte: Frauen mögen diese Kamera! Sie ist hübsch und relativ klein. Meine Frau mag es nicht wenn ich mit ihr unterwegs bin und meine 5D MK II samt großem 35mm Objektiv an meiner Hüfte am SlingShot Gurt baumelt. Die baumelnde X100 findet sie cool