Urban-Art Fotografie

Sehr geiler Film von »Blu« den Du da gefunden hast. :smiley: Sieht nach viel Arbeit aus.
Sein Berliner Giganto-Graffito (klick) finde ich auch sehr gut.

An der Bahnlinie, den Stationen und deren Umgebung, findet man oft interessante Szenarien in Verbindung mit den Motiven, welche die Writer dort hinterlassen. Bei manchen Bildern stellt sich schon aufgrund ihrer Größe die Frage: »Wie geht so was?« Zumal sich die Bilder häufig entweder unmittelbar neben den Gleisen, an bzw. auf Brücken-Tragwerken oder sonstigen eigentlich unzugänglichen Stellen befinden. An bestimmten Orten fahren die Züge in mehreren Ebenen. Über Brücken, auf Dämmen und abgestützten Trassen. S-Bahnen, ICE-Trains, Güterzüge, Regional-Züge usw.

Kürzlich ist mir ein Tag von »Koch-Kurs« :signs: aufgefallen, welches fast am Scheitelpunkt eines stählernen Bogentragwerks in vielleicht 14–15 m Höhe angebracht ist. – Also, ich würde da nicht mal mit 'nem Aufzug hochfahren…

Manchmal kommen bemalte Züge rein und die wartenden, ein- oder aussteigenden Passagiere geben gute Silhouetten ab. Ich lungere dort schonmal herum, mache ein paar Fotos, warte ein paar Züge ab und nehme schließlich eine S-Bahn, die mich dann wieder irgendwo anders hinbringt.

Weitere Bilder gibt’s – wie immer – im Album. :wink:

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1919

Anfang November hatte ich bereits dieses Bild hier gezeigt.
Ein paar Tage später fing man dann an, den Schriftzug zu entfernen.
Wie man dort sieht, kostete es einige Mühe.

Alle Beton-Teile des Gebäudes wurden im Januar mit einem chrom-silbernen Anstrich versehen,
der gut mit den schwarz gerahmten Verglasungen kontrastiert. Die Fenster-Bänder, Dachterrassen
und Formen, die das Werk des »Le Corbusier« zitieren, machen den schlichten Bau zu einem
guten Beispiel moderner Architektur.

Das muss auch »LTN« aufgefallen sein, und so unternahmen sie eine weitere Klettertour,
um dem Bau ihre Referenz zu erweisen. Jedes Mal, wenn ich dort vorbei komme, schaue ich
auf das Gebäude, welches durch seine scharfkantigen, klaren Formen etwas markantes hat.

Zunächst dachte ich, ich sähe ein Geisterbild, oder sei nicht ganz auf der Höhe, was mir
natürlich auch hin und wieder mal passiert. :wink: Jedenfalls – »Return of the Buffed« – ist der
Schriftzug wieder da. Ohne das davor stehende Gerüst, ist er jetzt auch viel besser sichtbar…

Weitere Abbildungen – wie immer – im Album (Urban-Art).

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1927

Ganrf. Die Jungs sind ja echt frech. Was ist das eigentlich, ein Balkon oder eine leere Wandfläche am Haus?

Das ist eine Wandscheibe. Davor liegt eine große Dachterrasse. :wink:

Na wie würdest du denn das finden wenn einfach ein fremder Hausbesitzer daher kommt und DEIN Kunstwerk mit seiner Neugestaltung der Fassade zerstört :hehem:

[quote=“Jonny”]Na wie würdest du denn das finden wenn einfach ein fremder Hausbesitzer daher kommt
und DEIN Kunstwerk mit seiner Neugestaltung der Fassade zerstört :hehem:[/quote]

Grundsätzlich sollte man der Kunst und den Künstlern gegenüber ein gewisses Maß an Respekt zeigen. ;-D

Verschiedene Orte suche ich immer wieder auf, um zu sehen was sich dort getan hat
und gegebenenfalls ein paar Fotos zu machen. Im Herbst, nach ein paar regnerischen Tagen,
schaute ich im Innenhof der »Alten Feuerwache« vorbei, die als Kulturzentrum dient.
Die Senke eines verstopften Bodenablaufs war voll Wasser gelaufen und bildete eine größere Pfütze.

Ein paar Kids tollten auf dem Hof herum, spielten mit einem Fußball und einem verwaisten Einkaufswagen.
Ich war nebenbei damit beschäftigt, den Ball nicht vor die Rübe oder die Kamera zu bekommen.

Ist mir auch gelungen.

Irgendwann rammte einer aus der Gruppe den Einkaufswagen schräg in das Wasserloch,
so dass die Räder hinten in der Luft hingen. Die anderen tanzten um das Ding herum,
als ob es ein Fetisch sei.

Ein vielleicht Zehn- oder Elfjähriger kam dann zu mir, meinte »Das ist Kunst!«,
und ich solle das doch mal fotografieren. – Er hatte Recht, und es sah gut aus.

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1962

Heute möchte ich Euch mal ein Buch vorstellen: Es ist der Titel »Blütezeit« des Fotografen Nils Müller. Erschienen im März 2009 bei Gingko-Press. Es zeigt im Querformat (ca. 200x297 mm) zahlreiche Fotos auf 168 Seiten. Bilder dieses Fotografen habe ich zuerst auf der Ausstellung Graffitolog im Sommer 2009 in Köln gesehen. Daher kannte ich auch seinen Namen.

»Blütezeit« zeigt verschiedene Graffiti, beschäftigt sich allerdings in erster Linie mit dem Making of. Neben einem kurzen Introtext gibt es verschiedene Writer-Zitate, die hier und dort eingestreut sind. Die Szene der Train-Writer wird aus einer Insider-Perspektive dargestellt, die einen Eindruck vermittelt, wie deren Aktionen ablaufen.

Man erkennt, es geht nicht darum, irgendwo etwas hin zu »watzen«, sondern um logistisch höchst aufwändige, gut organisierte Interventionen. Diese werden häufig von spezialisierten Crews durchgeführt.

Die Fotos sind in ihrer plakativen Authentizität einmalig. Es werden praktisch alle relevanten Aspekte dargestellt: Beobachtungen, Annäherungen, Besprechungen, Einstiege, Yards und die Künstler…

Für alle, die ein Interesse an Graffiti haben, sich für Malerei, Crews oder atmosphärische Fotografie interessieren, ist »Blütezeit« – ohne jeden Zweifel – einen genauen Blick wert.

Die Seite von Nils Müller findet Ihr hier.
Eine Beschreibung mit Darstellung einiger Innenseiten findet Ihr unter anderem dort.

Danke an Nils Müller für die Bereitstellung der Fotos zur Veröffentlichung im MacMini-Forum.

[size=85]Für dieses Bild: © Nils Müller[/size]

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1959

Hab mir mal die Seite angesehen. Da sind echt ein paar sehr schöne Bilder dabei, und auch die Portraits sind klasse gemacht. Er hat auch schon einige bekannte Gesichter abgelichtet.

Das Buch sieht auch sehr nett aus, vor allem mag ich es wenn die Bilder über 2 Seiten gehen. Sowas sieht immer gut aus. :smile:

Ja. Das Bild oben im Beitrag, geht im Buch auch über eine Doppelseite.
Für mich ist es eins der schärfsten Portraits in »Blütezeit« ;-D .

Mich erinnert das Bild irgendwie an einen französischen Film.

Es hat eine sehr charakteristische Atmosphäre.

Einige Künstler besitzen die Fähigkeit, quasi-realistische Bilder in Form von Graffiti auszuführen. Ein gelungener Schriftzug und auch ein Character zeugen in der Regel von einer klaren Beherrschung des Umgangs mit dem Medium. Einige bekommen – auch unter großem Zeitdruck – hervorragende Bilder hin.

Eine realistische Ausführung ist immer etwas Erstaunliches. Ähnlich wie man vielleicht früher die Leute bewunderte, die »mal eben« ein realistisches Portrait oder auch eine Karikatur eines Mitschülers zeichnen konnten, so sind realistische Darstellungen mit der Dose etwas Besonderes. Zumal der Umgang mit dem Medium – aus meiner Sicht – viel schwieriger ist, als der mit Bleistift oder Tuschefüller…

Alles eine Frage der Übung, könnte man meinen. – Aber nicht nur. Ich glaube, es tritt eine bestimmte Begabung hinzu, die sich durch Übung allein nicht hinreichend erklären lässt. Es mag sein, dass ich eine falsche Perspektive in einem Bild erkennen kann. Ich kann sie möglicherweise sogar erklären. Das bedeutet aber nicht, dass ich sie deshalb auch richtig herstellen könnte.

Es gibt demnach das Erkennen auf der einen Seite und das Vermögen auf der anderen. Außerdem kann es natürlich sein, dass jemand zwar realistische Bilder malen kann, es aber nicht tut, weil er/sie flächige Farbigkeit mit kräftigen Tönen und scharfen Konturen bevorzugt.

Im Realismus treten die Details in den Vordergrund. Es genügt dem Künstler nicht, zu zeigen: »Das ist ein Gesicht.« Das Gesicht soll einer bestimmten Vorlage, einer Wirklichkeit entsprechen. Daher werden Texturen, Licht und Schatten, Details, Perspektiven und Proportionen sehr wichtig und gehen weit über das – eigentlich Notwendige – Zeichenhafte hinaus.

Kaum vorstellbar, dass sich eine solche Umsetzung in verkrampften Bemühungen um die richtige Perspektive, die passende Textur, die unterstützende Licht bzw. Schattenwirkung verwirklicht. Dann lässt man’s doch rasch wieder, oder?

Weitere Bilder gibt’s – wie immer – im Album.

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1969

Der Künstler »Wahn« setzt seine Bilder in komplizierte dreidimensionale Gebilde um. Seine Technik, die – in der Erfindung, der Ausführung und auch der Betrachtung – hohe Anforderungen an die räumliche Vorstellungskraft stellt, verzichtet weitgehend auf die Verwendung kräftiger Outlines, wie sie sonst dem Writing vielfach eigen ist. Stattdessen werden schmale Konturen und abgrenzende Lichtkanten gesetzt.

Die in sich verschlungenen Gebilde, die formal an florale Gestaltungen des Jugendstils erinnern, erweitern sich – durch ihren suggerierten Griff in den Raum – mitunter zu surrealen Landschaften. Technisch steht »Wahn« den Ausführungen der Realisten näher als dem Writing, obwohl seine Bilder inhaltlich ohne Zweifel dem Writing zuzuordnen sind.

Mit seiner Betonung des Raums ist »Wahn« in einer Linie mit ähnlich arbeitenden Künstlern, wie Daim oder Seak zu sehen, die den 3D-Style perfektioniert haben.

Weitere Bilder von »Wahn« findet Ihr im Album: klick

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1979

Mal wieder ein paar echt hübsche Pieces! Aber sag mal: wie kannst Du das immer so den Künstlern zuordnen? Okay, bei einem oder anderem kann man den Schriftzug entziffern, aber hier oder dort kann ich nicht mal eine Signatur oÄ erkennen. Erkennst Du die am Stil? Hat sich schon mal einer wegen Falschzuordnung beschwert? :wink:

Die Zuordnung zu den einzelnen Künstlern ist ja eine langwierige Sache. Oft bin ich mir nicht sicher, wie z.B. hier. Allerdings weist der Style eine so große Nähe zu »Wahn« auf, dass ich geneigt bin zu glauben, es ist »Wahn«. Der 3D-Style ist nach wie vor rar. So viele Künstler gibt es also nicht, die dafür in Frage kommen. Seak oder Daim kann ich – aus verschiedenen Gründen – bei dem gezeigten Bild ausschließen.

Viele versuchen dagegen, Räumlichkeit in die Fläche zu projizieren, was vielfach Lesbarkeit und Zuordnung (für mich zumindest) erschwert. Da ich nicht immer differenzieren kann, was nun räumliche Projektion und was Teil des – eigentlichen – Schriftzugs ist. Mit der Zeit kann man allerdings bestimmte Styles einzelnen Künstlern zuordnen.

Beschwert hat sich noch keiner. Bei dem Bild dort ist oben links die Signatur von »Wahn« zu sehen. :wink:

Da! Eine Insel! Ah, jetzt, ja. ;))
Das ist ja echte Detektivarbeit! :smile: Sherlock Jupiter auf der Jagd nach der Urban Art. :smiley:

Das kann man sicher sagen. Es ist auch sehr zeitaufwändig. Wenn man an interessanten Stellen unterwegs ist, hat man ja schnell einige Fotos zusammen. Das Ergebnis dann aber thematisch zu gliedern, bzw. bestimmten Künstlern zuzuordnen ist nicht so einfach. Manchmal hilft ein Vergleich, wenn man zumindest eine bestimmte Idee hat. Natürlich habe ich zahlreiche Bilder – teilweise seit Jahren – bei denen es mir nie gelungen ist, den/die Künstler näher einzugrenzen.

– Dann muss Jupiter eben manchmal passen. :confused:

Habe eben an diesen Thread gedacht, als ich mit meiner Kamera unterwegs war. Nicht wirklich Kunst eines einzelnen Künstlers, aber irgednwie doch ein Gesamtkunstwerk :wink:


In einem früheren Beitrag habe ich schon einmal das Thema erwähnt, mit dem ich mich an dieser Stelle etwas ausführlicher beschäftigen möchte: Es geht um die so genannten Tags.

Der aus dem Englischen stammende Begriff bedeutet im hier relevanten Zusammenhang Markierung, und bezeichnet die Signaturen der Writer. Dabei handelt es sich – wenn man so will – um Unterschriften, die das selbstgewählte Pseudonym des Künstlers zum Inhalt haben. Diese Tags können in oder neben Bildern stehen, aber auch als Solisten auftreten. Außerdem gibt es Verdichtungen in Form von Ensembles.

In der Realität können Tags auf jeder Oberfläche erscheinen. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich aber um Farbaufträge, die mit Hilfe von Sprühdosen, Filzstiften, Kreide, Pinseln, Farbflaschen etc. aufgebracht werden. Diese Objekte sind hier Gegenstand der Betrachtung.

Seltenere Formen wie Ritzungen in Holz, Glas oder Stein, sowie Varianten, die mit Klebeband, Montageschaum oder gar der Hilfe von Feuerlöschern aufgebracht werden, seien hier nur am Rande erwähnt.

Grundsätzlich bewegt sich die gesamte Kunst im öffentlichen Raum, sofern sie unter den Begriff Urban-Art fällt, was für Graffiti, Street-Art und natürlich auch für Tags gilt, in einer rechtlichen Grauzone. Der Umstand der illegalen Entstehung dieser Werke ist mir bekannt, hier aber nicht Gegenstand der Betrachtung.

Gegenstand der Betrachtung ist die Art und Weise der Ausführung bzw. die Erscheinung dieser Objekte, so wie sie sich dem Auge des Betrachters präsentieren.

Um eine größere Zahl an Bildbeispielen als in den bisherigen Beiträgen zeigen zu können, habe ich diesmal Collagen aus zahlreichen Tags eingefügt. So kann die Bezugnahme im Text unmittelbar mit dem darunter stehenden Bild in Verbindung gebracht werden, ohne erst ins Album wechseln zu müssen.

Bild 07 Tags Collage 01.jpg

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1993

Zu meinen Favoriten in diesem Genre zählt neben den »Beach Boys«, »Ink«, »Shimo« und »Barto« ohne Zweifel »Demo«. Auch wenn sein Tag, welches links im Bild zu sehen ist, auf den ersten Blick roh und grob ausgeführt erscheint, muss man sich vorstellen, dass es in großer Zahl, in immer gleicher Art ausgeführt, auftaucht. Das Objekt verfügt also über eine absichtsvolle Gestalt. Einen spezifischen Duktus.

Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass die aneinander gedrängten Buchstaben zur Mitte hin einen kontinuierlichen Anstieg zeigen, der danach in einem – geometrisch ähnlichen – Abstieg ausläuft. Die gesamte Form lässt sich von einer elliptischen Form umschreiben (unten links) oder von einem gleichseitigen Dreieck, dem ein kreisförmiges Element angedockt ist (unten Mitte).

Die Signatur von »Der Herr und sein Knecht« (auf Blau, rechts) lässt sich als eine Schar von Vertikalen deuten, deren Anzahl sich nach unten hin reduziert. Ein abwärts gerichteter Keil, oder ein auf der Spitze stehendes Dreieck, wenn man so will (vgl. Abbildung unten rechts).

Bild 06 Tags Transformer 01.jpg

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1992

Der an sich unspektakuläre Schriftzug von »Netz« (links oben) zeigt in der Geometrie ebenfalls einen diagonal gerichteten Keil (siehe Abbildung links unten). Dadurch – ob nun beabsichtigt oder nicht – vermittelt das Objekt einen gewissen Nachdruck, der als solcher wiederum zweifellos in der Absicht des Künstlers liegt.

Ein Sonderfall ist der Schriftzug von »Shimo«, weil er ganz und gar das zeigt, was er selbst ist: Ein Fluss. Dieser Fluss ist horizontal in der handschrift-ähnlichen, gestreckten Typografie, dem nach rechts gerichteten Pfeil, der aus dem »O« herauswächst, der abgetreppten Unterstreichung, sowie – vertikal – in den herauslaufenden Nasen verwirklicht (vgl. Abbildung Mitte oben).

Man soll sich hier nicht von den Lauf-Nasen, die ja oft als mangelnde Beherrschung des Mediums betrachtet werden, täuschen lassen: »Shimo« ist ein routinierter Writer. Da läuft nix, wenn er es nicht so haben will.

Aber auch hier und das gilt für die Signatur von »Cage« genauso (vgl. Abb. rechts oben), sehen wir einen nach rechts gerichteten Keil (Abbildung Mitte unten), ein Dreieck, welches das Objekt in seiner Gesamtheit umschließt (Abbildung rechts unten).

Bild 05 Tags Transformer 02.jpg

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1991

Man mag sich vielleicht wundern und die Bezüge, die hier zur Geometrie hergestellt werden, zunächst für abwegig halten. Wenn wir aber die lateinische Schrift genauer betrachten (bei der griechischen ist es noch deutlicher, weil die wenigsten sie lesen können), sehen wir, dass sie sich aus Geraden und Gebogenen zusammensetzt. Dabei haben die Buchstaben »I«, »S«, und »O« eine Sonderstellung, weil sie jeweils nur eine der geometrischen Eigenschaften – sozusagen in ihrer Rein-Form – aufweisen. Das »C« gehört ebenfalls in diese Reihe.

Ausserdem ist es in unserem Kulturkreis weitgehend üblich, Namen mit einem großgeschriebenen Initial zu beginnen, dem kleiner geschriebene Buchstaben folgen. Ein keilförmiger Abstieg also, womit wir wieder bei der Geometrie wären.

Was ich damit sagen möchte ist, dass geometrische Kompositionen (vulgo: Buchstaben) in der Kombination ebenfalls geometrische Objekte hervorbringen. Ein Schluss, der in diesem Zusammenhang wenig überraschend erscheinen wird…

Allerdings – und das wäre der feine Unterschied – ergeben sie um so eher geometrische Objekte, wie der Künstler sich von dem eigentlichen Inhalt (der Bedeutung, dem Code) der Buchstaben löst, und je mehr er die gestalterische Ausformung derselben ins Auge fasst.

Man kann Tags demnach als ein Glied zwischen inhaltsdominierter Schrift und formbestimmtem Bild betrachten. Anders ausgedrückt: Tags sind Schrift auf dem Sprung zur Kunst.

Ein gutes Beispiel eines linearen Schriftzugs, der sich wegen seiner inhaltlichen Dominanz auf Distanz zur Geometrie hält, ist der Tag von »Foim«. Zwar findet der (in diesem Beispiel, siehe Bild links) vorangestellte Pfeil eine Entsprechung in der gestreckten Erscheinung des Namens, aber die gekurvten Anteile der Schrift wirken hinzugefügt. Man kann sagen, sie wirken hinzugefügt, weil sie hinzugefügt sind und keine unmittelbare Einheit mit den anderen Objekten bilden.

Daran gibt es grundsätzlich natürlich nichts auszusetzen. Jeder formuliert eben den Ausdruck, der ihm nahe liegt. Was mich aber überrascht und weswegen ich hier darauf hinweise, ist die Tatsache, dass gerade die Bilder von »Foim« (z.B. Vienna-Style) fließende, dynamische Formen aufweisen, die sehr künstlerisch sind. Dagegen zeigt die Signatur allerdings etwas, was dem Kölner U-Bahn Bau eindeutig fehlt: Stabilität. Eine Qualität also, die man nicht unterschätzen sollte.

Den »Beach Boys« ist mit ihrem Tag hingegen ein Signet von bestechender Prägnanz gelungen (vgl. Bild rechts). Es zählt neben den Tags von »Demo« und »Ink« für mich zu den schönsten. Hier ist die teils ineinander fliessende Schrift in eine angedeutete Kastenform gesetzt und durch ein eigenwilliges, hakenförmiges Ausrufezeichen ergänzt.

Bild 04 Tags Signets 01.jpg

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1990

»Mail« (Abb. oben links) geht einen anderen Weg. Man könnte sagen, er sucht die Diversifikation in der Uniformität, was ihm mit seiner schwungvollen Schlaufenschrift auch ganz hervorragend gelungen ist. Wir haben es hier mit einem hochdynamischen, schlaufenförmigen Objekt zu tun, welches den Inhalt in seiner Form versteckt, aber – dennoch – decodierbar bleibt. Das ist sehr ungewöhnlich. In ihrer komprimierten, zentrierten Form lässt sich die Signatur in ein Quadrat einschreiben (siehe Bild unten links) und zählt damit zu den zentralsymmetrischen Objekten.

Einmalig in ihrer oszillierenden Form ist die Signatur von »Ink« (vgl. Abb. oben rechts). Mit ihren symmetrisch ansteigenden Ausschlägen zeichnet sie einen, im Vertikalstrich des »K« endenden, scharfen Keil, dessen Prägnanz durch die diagonale Unterstreichung betont wird. Eine weitere Verstärkung erreicht dieses Objekt durch die Überlagerung mit einer zweiten Farbe und die Hinterlegung mit Schatten-Elementen. Diese Form lässt sich auch durch zwei nach links gerichtete Dreiecke unterschiedlicher Dimension beschreiben (siehe Abb. unten rechts).

Bild 03 Tags Transformer 03.jpg

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1989

Dem elliptischen Muster folgen – durch die Verwirklichung eines Binnenanstiegs – die Tags von »Hate« (siehe Abb. links oben und unten) und »Mex« (Abb. rechts oben und unten). Wobei auch letzterer ausschließlich Zeichen mit linearen Elementen verwendet. Durch Zeichenkontraktionen wird ein größerer Zusammenhalt, eine Verdichtung erreicht.

Bild 02 Tags Transformer 04.jpg

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1988

Abschließend möchte ich noch auf die Signatur von »Barto« eingehen. Jedem einzelnen Zeichen ist hier eine sehr individuelle Ausformulierung zugestanden worden, die in der bildhaften Gestaltung des »O« ihren originellen und sehr sympathischen Ausdruck findet (Abb. oben links).

In den Ensembles wird deutlich, dass eine Verdichtung der Tags in abgestufter Intensität zu einer Dominanz der Textur führt, die den einzelnen Schriftzug im Gewebe seiner Gesamtheit beinahe verschwinden lässt (vgl. die Ensembles unten links). Selbst farbige Akzente werden mehr als Gewichtung, denn als individuelles In-Erscheinung-Treten wahrgenommen. Auch wenn man aufgrund des hingeschmiert erscheinenden, roten Schriftzuges von »CME« (Abb. rechts) vielleicht nicht gleich drauf kommt: In Punkto Typografie zählen sie zu den bedeutenden Erfindern…

Bild 01 Tags Ensembles 01.jpg

http://www.macmini-forum.de/gallery/image.php?album_id=46&image_id=1987

Wir kommen zum Schluss: Wer – nach meinen Ausführungen – Tags immer noch unbedingt für Geschmier halten möchte, soll es tun. Schließlich ist Jupiter kein Missionar. Soweit die Worte zur Schrift. :signs:

Sämtliche Bilder gibt’s – wie immer mit kurzer Erläuterung – auch im Album.

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